Übersetzung
aus dem
Lautsprecher-
buch von
Jean Hiraga,
publiziert
1981 bei
Edition
Fréquences,
Paris


Seite 1




































































































Inhalt



 
Der Druckkammertreiber WE 555 W
Übersetzung aus dem Lautsprecherbuch von Jean Hiraga, veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung des Autors. Übersetzung von Claus Hilgenstock.

Die Entwicklung dieses Treibers, der Maßstab für viele spätere Modelle werde sollte, begann um 1926; er kam 1928 auf den Markt und war für die Verwendung in großen Aufführungssälen und Tonfilmkinos gedacht.

Die Entwickler E.C. Wente und A.L. Thuras arbeiteten für die Firma Bell Systems. Die ersten Wiedergabeeinrichtungen für den Tonfilm hatten nur bescheidene Qualität geboten, die Markteinführung eines kompletten Systems, das von der Abtastzelle des Projektors bis zum Lautsprecher außergewöhnliche Klangeigenschaften bot, sicherte über Jahrzehnte hinweg weltweiten Erfolg.

Mit Markenbezeichnungen wie “Vitaphone“ oder “Movietone“ waren die verschiedenen Ausführungen alle sehr weit entwickelt. Die Lautsprecher erreichten bei einer Dauerleistung von 30 Watt einen Wirkungsgrad von 50 Prozent und eine Bandbreite von 60 - 8000 Hz. Die bis dahin üblichen elektrodynamischen Systeme wurden damit weit übertroffen, boten sie doch bestenfalls einen Wirkungsgrad von 1 Prozent bei sehr fragwürdiger Zuverlässigkeit und Linearität.

Der 555 W-Treiber markiert in seiner Einheit von Membrane / Schwingspule / Phaseplug / Magnetsystem einen bemerkenswerten technischen Fortschritt. E.C. Wente hatte bei der Membran zum erstenmal eine tangentiale Aufhängung verwendet. Er lehnte sich dabei an Maxfield und Harrison und deren Membran für die “Victrola“-Phonographen an. Die Robustheit und Leistungsfähigkeit dieser Aufhängung machte sie schnell zum Standard. Die Schwingspule wurde ganz neu mit einem Draht von rechteckigem Querschnitt konzipiert, mit dem Vorteil grösserer Stabilität und geringerer Anfälligkeit gegen thermisch bedingte Verformung. Die Flachdraht-Schwingspule war ursprünglich eine Erfindung von L.N. Mercner und J.L. Mathison, Wente und Thuras entwickelten sie soweit, dass sie Temperaturen bis 150 Grad Celsius widerstanden, damit konnte eine bis dahin nicht mögliche Dauerleistung zugeführt werden.

Die sehr durchdachte Konstruktion der Magneteinheit geht aus der Abb. 188 hervor. Der innere Teil der Polplatte ist durchbohrt und weitet sich aus, um die für elektrodynamische Lautsprecher typischen Hohlraumresonanzen zu vermeiden. Diese exponentielle Ausweitung des hinteren Gehäuses war mit Stoff bedämpft, das Gehäuse selbst wie üblich hermetisch abgeschlossen. Auf die Abstrahlöffnung wurde eine ringförmige Abdeckung geschraubt, diese Anordnung erlaubt es, magnetische Verluste auf ein Minimum zu begrenzen. Auch die Einheit von Membran und Phaseplug stellt eine sehr ausgefeilte Konstruktion dar, zum erstenmal wurde ein Phasenkorrekturelement verwendet, Abb. 189 zeigt einen Querschnitt dieses sehr wichtigen Bauteils.







Die spezielle Form der Membran mit einer Inverskalotte als zentraler Partie platziert die Schwingspule gegenüber dem mit dem Horn gekoppelten Treiberausgang. Diese Anordnung erzeugt sehr viel günstigere Druckverhältnisse als die bisher verwendeten Membranen, deren Schwingspulen in Richtung des Horns angeordnet waren. Ihre sehr verbreitete, weil einfach umzusetzende Anordnung hatte verschiedene Nachteile, so erzeugte der nach aussen orientierte Luftspalt mit Frequenzgangschwankungen einhergehende Druckverluste. Einige Konstrukteure versuchten dieser Erscheinung mit der Einführung von Zentrier- und Dichtringen entgegenzuwirken, die Empfindlichkeit der Membran verlangte ausserdem nach einer Staubschutzvorrichtung aus feinem Metallgitter oder Stoff.

Die Anordnung beim WE 555 W vermeidet diese Probleme. Die zurückgefaltete Membran (Punkt A) hat die grösste Stabilität genau dort wo auch die stärksten Druckschwankungen auftreten. Nach Wente und Thuras hat diese Form einen weiteren Vorteil: den nämlich einer Verminderung von k3, was sich durch Messungen bestätigen lässt. Vor allem der Abschnitt der Membran zwischen Schwingspule und Faltung ist nach Ansicht der Entwickler für die Unterdrückung dieser gehörmässig störenden Verzerrungen verantwortlich, damit einher geht der Vorteil mechanischer Stabilität.

Es gibt einen weiteren interessanten Gesichtspunkt, der sich auch rechnerisch darstellen lässt: Die konkave Partie der dem Phasenkorrekturelement zugewandten Membran entspricht genau der Oberfläche welche die Schwingspule bedecken würde.

Dritte wichtige Anmerkung: der Abstand zwischen Phaseplug und Membran ist über den Umfang hinweg nicht konstant. Wie aus Abb. 189 ersichtlich ist auch der Luftpalt zum Zentrum hin am engsten und erweitert sich nach aussen hin. Die geometrische Entwicklung der Fläche zwischen Punkt A und dem Austritt soll vor allem stehende Wellen verhindern.

In ihrer Gesamtheit erreicht die Konstruktion das Ziel, das eingeschlossene Luftvolumen für eine Erhöhung der Ausbreitungsgeschwindigkeit der Schallwellen zu nutzen. Nach Wente und Thuras vermeidet die Form der Membran und ihr definiert unterschiedlicher Abstand zum Phaseplug unkontrolliertes Schwingen und die Enstehung von k3. Die Überlegungen der Entwickler erscheinen sehr schlüssig, die gewählte Anordnung vermeidet Membranverformungen und erreicht dank des Phasenkorrekturelements eine günstige “Durchmischung“ des Signals bevor es den Treiberausgang erreicht. Wenn diese Mischung nicht stimmt, so äussert sich das meist durch ungleichmässige Richtwirkung oder Verzerrungen (Deformation der Wellenfront im Innern des Horns).

Die Wichtigkeit einer solchen homogenen Mischung des Signals kann kaum überschätzt werden. Nur mit einer perfekt abgestimmten Einheit aus Membran und Phaseplug können die Ansprüche an die optimale Form der Wellenfront, die Gleichmässigkeit des Druckverlaufs und die Unterdrückung von Turbulenzen erfüllt werden.


weiter zu Seite 2