Die
Geschichte
einer
Laufwerks-
legende

Platine Verdier



































































































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Juni 2006
 
Es sollte ein Material sein, das vergleichbare Eigenschaften hat wie die Vorlage. Holz, die sicher ästhetischste Möglichkeit, schied damit aus. Wir wurden fündig bei einer kleinen Unternehmung, die sich mit der Verarbeitung von Polymerbeton beschäftigte, ein Material, das in Verbindung mit Granulat, Sand, Harzen und Härtern in Formen vergossen werden kann. Dieser Prozess erlaubte gleichzeitig das Aussparen der Achsaufnahme, der Kammern für die Luftfederfüsse als auch das Einlassen von Gewindehülsen für die Stellschrauben und der Tonarmbase. Wir ertüftelten eine Weile die günstigste Relation für die Größe der Zarge im Verhältnis zu ihrem Gewicht und den verfügbaren Federn und liessen eine Form bauen. Zu beachten war, dass das Polymermaterial beim Abbinden Reaktionshitze erzeugt und dadurch Formen nicht masshaltig bleiben. Die Form musste also in Übergrösse konzipiert sein und ein Steinmetz später das Ganze definiert plan schleifen. Eine ziemlich aufwändige Angelegenheit. Nachdem wir diesen Prototypen eine Weile in Erprobung hatten und sich das Resultat als überzeugend darstellte, fuhren wir wieder zu Jean Constant Verdier, der zu allen Zeiten in dieses Projekt einbezogen war, um sein Einverständnis für diese Alternative einzuholen. Wir trafen auf keinerlei Vorbehalte und konnten von nun an La Platine mit unserer Zarge anbieten. Auf Wunsch der Besitzer wurden alle bis dahin ausgelieferten Plattenspieler auf den neuen Sockel umgebaut. Und zur Qualität: Rückrüsten mussten wir keine.

Hatte Jean Constant Verdier mit der Entwicklung “der Verdier“ wie Roland Kraft einst schrieb “nicht das schönste Laufwerk der Welt, sondern lediglich einen ordentlichen Plattendreher“ bauen wollen, so gab es doch im Laufe der Zeit Zugeständnisse an den Zeitgeschmack. Nicht unfroh darüber ersetzte J.C.Verdier die handwerklich schwierige Granitozarge durch MDF, das unter anderem auch angesagte Hochglanzlackierungen zuliess. Erst der letzte grosse Test im deutschen Magazin Audiophile mit der Polymerbetonzarge auf dem Titel löste u.a. neue Nachfrage nach der “Original-Verdier“ aus (Heft 1/2001, Autor Dalibor Beric. Wir werden den Test auf unserer Website zeigen, wenn wir die Veröffentlichungsrechte dafür erworben haben). Das “Vintage“ genannte Modell fand so seine Käufer auch in Fernost, trotz der Verarbeitungsproblematik des Terrazzo. Wir hatten uns dieser Hochglanzmode nie angeschlossen und fühlten uns jetzt bestätigt.

Für Aufruhr und Verunsicherung sorgte Anfang der 90er ein schweizer Scene-Heft, in dem unser Material aufs schärfste in Frage gestellt wurde. Man implizierte, es handele sich um Bodenplatten, die aus akustischen Gründen völlig ungeeignet seien und - wenn schon - wenigsten hochglanzgeschliffen sein sollten. Zu den hervorragenden dämpfenden Eigenschaften des Polymersteins verwiesen wir schon damals auf Untersuchungen der Universitäten Darmstadt und Magdeburg die mit diesem Material arbeiteten. Hochglanzfinish war nicht möglich, da Granulat und Füllstoff unterschiedliche Dichten aufweisen, die in unterschiedlichen Schleifgeschwindigkeiten bearbeitet werden müssen. Es handelt sich bei diesem Polymerstein übrigens um identisches Material, mit dem in den 80er Jahren auch die renommierten Lautsprecher Dialog Logos von Goldmund produziert wurden und auch für die SL 700 Cliffstone von Celestion wurde Polymerbeton für den Gehäusebau verarbeitet. Nicht eben schlechte Referenzen.

Wie der Polymersockel der deutschen Verdier stiess auch der von Jean Constant Verdier gewählte Motor auf eidgenössische Kritik. Er wurde als völlig ungeeignet erkannt und man versuchte das auch zu begründen. Bemerkenswert waren die Beiträge eines ehemaligen Journalisten von DAS OHR, der sich nun nicht scheute, das von ihm einst mit den genialen Konstruktionen von Leonardo da Vinci verglichene Laufwerk als das Konstrukt eines musikalisch ungebildeten Herstellers zu bezeichnen. Glücklicherweise wusste man auf beiden Seiten auch gleich Abhilfe zu leisten, indem man im befreundeten Umfeld eigene Plattenspieler plante bzw. auch konzipierte, ohne sich dabei jedoch von der Vorlage lösen zu können, mit wenigen eigenständigen Veränderungen, die man dann als “verbesserte“ Verdier kommerziell an den Mann zu bringen suchte. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt...? Ein Exemplar des dafür gewählten Motors wurde von einem der Verdierbesitzer erworben und zum Gegenhören ins Auditorium gebracht. Etwas von “Lehrgeld“ murmelnd überliess er uns seinen Neuerwerb und benutzte wieder den Originalmotor. Anwesend waren damals einige weitere Verdierbesitzer, die noch heute über diese Anekdote schmunzeln.

Für uns ist immer wieder ebenso bemerkenswert wie rätselhaft, dass einem Hersteller, der mit beträchtlichem Aufwand und enthusiastischer Hingabe - es wird wohl niemand ernsthaft behaupten wollen, die Verdier sei mit ihrem uneitlen Konzept und Design auf merkantile Kommerzialität ausgerichtet - ein Produkt erarbeitet, im Laufe der Entwicklungsarbeit unzählige Detailfragen zu lösen und entscheiden hat, offenbar nur die Fähigkeit zum groben Entwurf zugestanden wird, für den Feinschliff dann aber der “Bessermacher“ bedarf, um es erst durch deren Zutun zur Vollendung zu bringen. Damals ahnten wir noch nicht, dass uns dieses Phänomen immer wieder begegnen sollte - Stichwort Rondo und SoloVox.

In Deutschland brachte es die Verdier zu hohem Ansehen, die Nachfrage ist noch immer konstant - Nomen est Omen? - und nur selten ist eine Platine auf dem Gebrauchtmarkt zu finden - und wenn, dann zu Preisen, die oft nur unwesentlich unter jenem liegen zu dem sie einst erworben wurde. Für ihre Besitzer ist sie der ruhende Pol ihrer Anlagen, der souverän und unangefochten Moden überdauert.

Wie schon die Mannschaft von L'Audiophile reizte natürlich auch uns das vergleichende Hören zwischen CD-Playern der damaligen Zeit (siehe Testbericht) und der Platine Verdier. Unter den dabei Anwesenden fand sich niemand, der danach sein Laufwerk gegen einen digitalen Wandler eingetauscht hätte. Es ergab sich, dass der Dirigent Eliahu Inbal einen Termin vereinbarte, der Interesse hatte, sich seine ersten mit Denon digital produzierten CDs einmal mit “Voice of the Theatre“ anzuhören und natürlich reizte auch ihn der Vergleich zur analogen Technik. Danach fragte er: “Woran liegt es bloss, dass die CD so viel weniger emotionale, atmosphärische und natürliche Inhalte vermittelt?“ Hätten wir oder andere darauf eine Antwort gehabt, gäbe es heute vielleicht keine anologen Quellen mehr. Seine Erlebnisse bei diesem Vergleich führten dazu, dass er sich auf unsere Bitte hin auf der folgenden frankfurter HighEnd Show mit seiner Autorität beim Geschäftsführer von Denon in Deutschland dafür verwendete, unsere damalige Tonabnehmerreferenz DL 103 nicht aus der Produktion zu nehmen, wie es damals kursierende Gerüchte befürchten liessen. So betrachtet haben wir doch eine ganze Menge erreicht für die Freunde der analogen Wiedergabe, die das System immer noch gerne benutzen. Auch das ist schon 15 Jahre her.

Die Erfolgsgeschichte der Verdier bestimmten glücklicherweise ihre Besitzer und nicht die “Talkabouts“. Für uns ist es ein Erfolg, wenn sich ein Produkt über mehr als 25 Jahre lang nahezu unverändert in einem sich so schnell wandelnden Markt behaupten kann.

Danken möchten wir an dieser Stelle ausdrücklich den engagierten Fachhändlern, die sich über all die Jahre für das Produkt eingesetzt haben und denen Margen-Denken nicht einziger Motor ist. Die Verdier ist keine versandtaugliche Kartonware, kein Plug-and-Play-Produkt, sie sucht Charaktere, sie ist trotz ihres Gewichts sensibel und subtil und dennoch keine Mimose, gar nicht marktschreierisch und bedarf gerade deshalb der unterstützenden Hand unserer Fachhändler.

Die unterschiedlichen Veröffentlichungen sind als PDF-Dateien verfügbar


HiFi ExklusivDAS OHR Nr. 4DAS OHR Nr. 29

STEREO

La Nouvelle Revue du Son  (Übersetzung)