Testbericht
in
image-hifi
Heft 45

Mai/Juni
2002

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Inhalt



 
Chapeau! Wäre Ken Shindo ein Winzer, müsste man ihm bescheinigen, den eigenen Lagerkeller gründlich durcheinandergerührt zu haben, den zu Recht preisgekrönten älteren Jahrgängen aus unerfindlichen Gründen ein wenig am Zeug flicken zu wollen. Wie gewohnt äussert sich der Erzeuger nicht über seine Beweggründe, stellt vielmehr gelassen zur Diskussion, was das Jahr erbracht hat. Dem Verkoster bleibt nur eines, nämlich festzustellen, dass der Preis dieser Flasche weit mehr als nur redlich ist.

Mit seinem brandneuen Vorverstärker will der japanische Röhrenpapst Ken Shindo Einsteiger-Herzen erobern. Und das Outfit stimmt schon mal: Der kompakte, dennoch alles andere als abgespeckt wirkende Aurièges erfreut nämlich auch das Auge.

Es war, so das Sprichwort, schon immer etwas teurer, einen guten Geschmack zu haben. Was, wie wir wissen, auch und erst recht für HiFi gilt. Reicht ein solches Bedürfnis dann auch noch bis hin zu den abgehobenen Gefilden puristischer Glaskolben-Gerätschaften, dann bildet sich das ersehnte Vakuum nur um so schneller auch im Geldbeutel scheinbar unheilbar Infizierter aus. Handelt es sich bei besagtem Vakuum um Importware von ausserhalb Europas, dann spielt zudem der Wechselkurs eine dramatische Rolle. Von der die gebeutelten Vertriebe von US-High-End ein leidvolles Lied zu singen wissen. Ähnlich sieht es mit Importen aus Japan aus. Und genau von dort stammen bekanntlich die Röhrenverstärker des inzwischen wohl legendären Ken Shindo. Logisch, dass diese in reiner Handarbeit gebauten Geräte, die zumindest teilweise auf inzwischen längst nicht mehr hergestellten elektronischen Bauteilen basieren, schon immer ein gutes Stück höher im Preishimmel hingen.

In den letzten Jahren hatte sich zudem eine schmerzliche Lücke bemerkbar gemacht: Was im Shindo-Programm fehlte, war eine Einsteiger-Vorstufe. Und genau so ein Gerät gibt es jetzt. Wobei man den Begriff "Einsteiger" gleich wieder vergessen sollte, bezieht er sich doch lediglich auf den nunmehr preiswertesten Vorverstärker von Ken Shindo. Denn erfahrungsgemäss schafft es der Japaner immer wieder, ausnahmslos jeder seiner Komponenten einen eigenständigen, unverwechselbaren Charakter zu verleihen. Was dazu führt, dass ein wie auch immer gearteter Begriff von Hierarchie innerhalb der "Product Range" mit schönster Regelmässigkeit ad absurdum geführt wird. Nach meiner Hörerfahrung stellt jeder Shindo-Verstärker vielmehr preisunabhängig ein eigenständiges Klangkunstwerk dar. Das hat unter anderem den schönen Effekt, dass sich auch Besitzer eines "kleineren" Shindo-Amps stets eines Gefühls der Zufriedenheit erfreuen, und zwar wohl wissend, dass "darüber" noch "bessere" Verstärker existieren.

Nach einer ganzen Reihe von Jahren, in denen ich immer wieder die Gelegenheit hatte, verschiedene Shindo-Geräte - sowohl Vor- als auch Endverstärker - zu hören, war der Effekt jedesmal der Gleiche: Es war, als würde man verschiedene Weine probieren, die allesamt für höchste Gaumenfreuden gut sind, aber dennoch verschiedene Charaktere repräsentieren. Ken Shindos eigentliche Kunst, so glaube ich inzwischen, ist genau hier zu suchen, nämlich in der Art und Weise, wie er, scheinbar völlig unbeeinflusst vom Aufwand, jedesmal einen guten Tropfen kreiert. Von den üblichen Hierarchie-Überlegungen darf man sich in diesem Fall also getrost verabschieden. Nur ein Beispiel dazu: Ich pflege eine recht lange Bekanntschaft mit einem nunmehr acht Jahre alten Shindo-Vorverstärker namens "Allegro", der sich technisch und auch klanglich natürlich von den mittlerweile aktuellen Modellen unterscheidet. Als Kollege Cai Brockmann mir einmal seinen neuen "Monbrison" auslieh, was einiger Überredungskunst bedurfte, war ich von dem Gerät fasziniert, ja vollends überzeugt. Ich habe den Monbrison dennoch leichten Herzens zurückgegeben und bin weiterhin völlig zufrieden mit dem Allegro. Mehr, so viel ist sicher, kann man angesichts der bekannt schnelllebigen High-End-Gerätschaften wohl kaum verlangen ...

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